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Eine herausragende Folge, und wieder einmal ein auf angenehm amüsante, aber nicht zu alberne Art selbstreflexiver „Columbo“, bei dem die Serie fast ein wenig aus der Flimmerkiste tritt, um sich selbst zuzuschauen. Hätte nur noch gefehlt, dass à la Tukur-Tatort Peter Falk Peter Falk spielt, dem bei einem „Columbo“-Dreh ein Mord unterkommt. Immerhin gibt’s was Ähnliches und weist schon der Film-im-Film-Beginn auf die Meta-Ebene hin. Inspektor Lucerne, gespielt von Ward Fowler (William Shatner), ist so eine Art Columbo – allerdings mit großspurigerer Attitüde. Dass er auf witzige Art sogleich seinen Text verpatzt, mag andeuten, dass er es an Raffinesse mit dem Meister nicht wird aufnehmen können. Wenn er sich Scharmützel mit der eiskalten, ihm hoffnungslos überlegenen Produzentin, seiner Ex-Geliebten, liefert und anregt, der Mörder müsse einmal sympathischer gestaltet werden, da das Opfer ihn erpresse, ist die kommende Rollenverteilung klar (aber auch, dass „Columbo“ der „Lucerne“-Serie überlegen ist, da in Erstere der Typus der sympathischen Mörders bereits eingeführt wurde). Es kommt zur scheinbar perfekt geplanten Tat, zum üblichen Platzen Columbos in einen Dreh und zu den „kleinen Dingen, die stören und einfach nicht mehr aus dem Kopf wollen“. Und zu einem wahrhaft grandiosen Zusammenspiel zwischen Falk und Shatner, das ich Letzterem kaum auf diesem Niveau zugetraut hätte, musste er doch in der Enterprise-Pause aus dem Karrieretief heraus Schrottrollen wie in „The Devil’s Rain“ annehmen. Aber er ist in einer Liga mit Top-Mörder/innen wie Louis Jourdan und Ruth Gordon: Letztere, weil ebenfalls sympathisch, aber zu sehr damit kokettierend. Ersterer, weil Falk/Columbo und der Gegner sich in schönster Schnöseligkeitsüberbietung die Bälle unnachahmlich zuwerfen. Dabei werden die beiden und diesmal insbesondere Shatner aufs Beste vom Drehbuch unterstützt, ist doch die Rolle – worauf der Kommentator dieser Seite zu Recht hingewiesen hat – fast schon an der Grenze zur Schizophrenie, oder: Hier ist ein Serienstar, dem die Trennung zwischen Realperson und Rolle zunehmend zu entgleiten droht. So hat man bald den Eindruck, dass die zwei Meisterdetektive Columbo und Lucerne gemeinsame Sache gegen Fowler machen, vom dem Lucerne später ganz gern in der dritten Person spricht. Das verschafft der Figur eine tragische Abgründigkeit, ist aber auch in bester Columbo-Tradition, da es immer auch um Schauspielerei geht. Mörder inszenieren ihre Taten, ihre Opferrolle, ihr Trauern und den Toten, ihre falschen Spuren. Columbo inszeniert seine Schusseligkeit und sein Fragen um drei Ecken herum, was Fowler ihm hier sogleich auf den Kopf zusagt (wobei das Schöne an Columbo ist, dass ihm das so in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass er selbst kaum noch weiß, was getrickst und was ehrlich ist). Es ist daher kein Zufall und oft besonders gelungen, wenn Columbo im Milieu der darstellenden Künstler ermittelt, denn um das Spielen einer Rolle geht es. Während z.B. in der England-Episode der zweiten Staffel der überführte Theatermime nur noch Shakespeare brabbeln kann (und die Episode auch ansonsten mit jeder Menge Shakespeare-Anspielungen gespickt ist), kann hier der Mörder nur noch einen auf Columbo bzw. Inspektor Lucerne machen. Dies ist hier erkennbar von Anfang an seine Tragik – die Darstellung ist großartig und stringent bis zum bitteren Ende. Aber denken Sie bitte jetzt nicht, dass sich der Mann selbst zugrunde richtet und Columbos Spürsinn nicht mehr gebraucht würde! Somit ist hier wirklich alles drin, was einen hervorragenden Columbo ausmacht. Gags am Rande wie ein falscher (weißer?) Hai im Studiobecken und die Schuhe, mit denen sich Fowler größer macht (es gibt auch eine versteckte Anspielung auf Falks eher knappen Körpermaße) sind nie Selbstzweck, sondern bringen die Diskrepanz zwischen Schein und Sein zum Ausdruck, um die es hier durchgängig geht. Eines hingegen ist Geschmackssache: In späteren Folgen wurde ein Wechsel der Ebenen manchmal filmästhetisch etwas extravaganter gestaltet, z.B. bei „Selbstbildnis eines Mörders“ und „Die vergessene Tote“. Ich mag das und grad diese beiden Episoden besonders gern. „Mord im Bistro“ kann man hingegen nicht umgekehrt vorwerfen, sich sowas nicht getraut zu haben. Er ist in Drehbuch und Schauspielführung wie Montage so geschickt, dass er Mätzchen nicht nötig hat. Höchstwertung! |